Heimatkunde vor Ort
Wie haben die Menschen früher in unserem Ort gelebt? Wie war das in Neulußheim?
Hanspeter Rausch, Vorstandsmitglied des Neulußheimer Heimat-vereins und Gemeinderat, nahm etwa 60 Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse der Lußhardtschule mit auf eine Zeitreise zu den Anfängen „unserer Gemeinde“. Er begrüßte die begleitenden Klassenlehrer Tanja Löschmann, Steffen Schneider und Bettina Strempel und freute sich über das Interesse der Schüler an der Ortsgeschichte.
Vom Schulhof der alten Schule in der St. Leoner Straße aus begab sich die stattliche Gruppe in Richtung Kreuzung, an der das ehemalige Wirtshaus „Zum Bären“ stand. Hier führte Rausch die Schüler in die Vergangenheit zurück: „Versetzt euch gedanklich in die Zeit vor 300 Jahren zurück und stellt euch vor, dass genau an dieser Stelle hier alles mal Wald und Ödland war. Es gab lediglich zwei überregional bedeutende Fernwege, die sich an dieser Stelle kreuzten“ begann der Unterricht vor Ort. Die Kinder konnten erfahren, dass durch Kriege, vor allem den bis 1698 andauernden Pfälzischen Erbfolgekrieg, viele Orte zerstört wurden und wenige Menschen in dieser Gegend wohnten, was zur Folge hatte, dass die regierenden Fürsten keine Steuereinnahmen hatten. Und da hatte der württembergische Stabspfleger Julius Schickard die Idee, das Land wieder zu bewirtschaften und neue Siedler anzulocken und erbaute an den sich kreuzenden Straßen einen Meierhof. Rausch zeigte den sehr interessierten Schülern die Stelle, auf der das erste Haus von Schickard stand. Dieser ließ nebenan 1715 eine Gaststätte bauen, das ehemalige Gasthaus „Zum Bären“, in der die auf den Fernstraßen Reisenden „Speis und Trank“ und eine Übernachtungsmöglichkeit fanden.
Der Ortsgründer Schickard hatte 1719 mit dem Bau einer Ziegelhütte Einwohnern und Arbeitern ein Einkommen ermöglicht. „Ja hier auf dem Grundstück vom Obsthof Hoffmann stand sie“ bestaunten die Kinder das heute grüngestrichene Haus. „Und wo gingen die Kinder zur Schule?“ kam die nächste Frage. Den ersten Unterricht gab es 1715 bei Wolfgang Cornelius Scholl im Obergeschoss über dem Gasthaus „Zur Krone“ in der Hockenheimer Straße. Das Haus wurde ab 1907 als Bäckerei umgebaut. Lehrer Scholl war gleichzeitig Barbier, Chirurg und zog auch kranke Zähne. Die Kinder staunten nicht schlecht, dass die Schule damals nicht der Mittelpunkt im Leben der Kinder und Jugendlichen war. Unterricht fand nur im Winter statt. Und die Eltern mussten Heizmaterial mitgeben, damit die Schüler nicht froren. Im Sommer brauchten die Eltern die Hilfe ihrer Kinder im heimatlichen Bauernhof und auf den Feldern. Da gab’s keinen Unterricht.
Weiter ging die Exkursion zur evangelischen Kirche. Bei der Kirchengeschichte hat die jungen Neulußheimer besonders beeindruckt, dass um die Kirche herum der Friedhof angelegt war und die Gebeine der Verstorbenen wegen des Baus der neuen Kirche 1909 und des Rathausneubaus 1914 auf den neuen Friedhof in Richtung Reilingen verlegt wurden. „Kann es sein, dass sich heute noch Knochen hier befinden?“ meldete sich ein hochgestreckter Finger. Was Rausch verneinen konnte.
Der Abschluss der neuen Art von Unterrichtsstunde fand im Rathaus und dem Bürgerbüro statt. Die ortskundlich gut vorbereiteten Schüler konnten sehen, wo der Bürgermeister und die Rathausmitarbeiter arbeiten. Sie hörten auch, dass im Keller früher das Orts-Gefängnis war: „Ist das Gefängnis noch in Betrieb?“ kam es hoffnungsvoll aus der Gruppe. Das wäre der Knaller gewesen! Rausch konnte eine Besichtigung, weil es das Gefängnis natürlich schon lange nicht mehr gibt, leider nicht ermöglichen. Aber viele Fragen konnte er doch noch beantworten. Die informative Rundreise durch den Heimatort beschloss Brigitte Koch-Brömmer, die Vorsitzende des Neulußheimer Heimatvereins: Sie hatte für den langen Weg zurück in die Schule eine Stärkung für die Schüler mitgebracht.
Gisela Jahn